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Feiertagswahnsinn

Als ich am Morgen den auf meinem Weg liegenden Supermarkt passiere, ahne ich Böses. Schon um diese Zeit ist der Parkplatz vollständig belegt und einige Verzweifelte fahren bereits im Kreis, in der Hoffnung, es möge sich noch irgendwo eine freie Lücke auftun. Es ist der Tag vor Karfreitag und ein verlängertes Wochenende droht. Das ruft die Massen auf den Plan und der Feiertagswahnsinn nimmt seinen Lauf. Als wäre das Stattfinden des Osterfestes erst an diesem Tag bekannt gegeben worden, brechen ohne jede Hemmung die hamsternden Horden los. Man gewinnt den Eindruck, als würde die Lebensmittelversorgung nach Ausklingen dieses Tages für immer enden. Erstaunlich ist auch, wie wenig Menschen an diesem Arbeitstag noch einer regulären Beschäftigung nachzugehen scheinen.

Feiertagswahnsinn
Am Morgen scheint noch alles friedlich. Sobald die Tore sich öffnen, bricht die Hölle los.

Mit gehetzten Blicken und randvollen Einkaufswagen, wälzt sich die Menge erbarmungslos durch die Läden. Mir hingegen drängt sich die Frage auf, wer denn die ganze Losung konsumieren soll. Getreu dem Motto, „besser man hat, als man hätte“, wird jenseits von Sinn und Verstand alles in den Einkaufswagen gekippt, was man findet. Oder besser das, was die Besessenen vor einem noch übrig gelassen haben. An der Fleischtheke werden, mit fanatischem Glänzen in den Augen, tonnenweise Wurst und andere Formen von tierischen Überresten eingekauft. Vermutlich landet mehr als die Hälfte, der in der Umnachtung des drohenden Hungertods erworbenen Lebensmittel, nach den Feiertagen im Müll. Das Sinnbild einer überfrachteten Konsumgesellschaft, in der verantwortungsvolles und effizientes Einkaufen zum unliebsamen Fremdwort geworden zu sein scheint.

Der Feiertagswahnsinn scheint sich jährlich zu steigern

Der dekadente Einkaufsirrsinn vor Feiertagen kennt keine Grenzen und nimmt jährlich groteskere Formen an. An der notorisch unterbesetzten Kasse herrscht aggressives Gedränge und jeder will der Erste sein. Allen voran Rentner, Mütter mit Kindern und Hartz-IV-Empfänger, die bereits die ganze Woche Zeit gehabt hätten, ihre Besorgungen zu erledigen. In letzter Minute und von höchster Not getrieben, wird noch schnell mit dem SUV zu Aldi gerammelt. Nichts geht mehr und wer nicht aufpasst, gerät schnell zwischen die Zahnräder der sich tottrampelnden Massenmaschinerie. Während sich Unmengen von unnützen Waren über das Einkaufsband bewegen und die Warentrenner langsam knapp werden, schafft es dann sicher noch eine übereifrige und minderbemittelte Hausfrau, den Kassenbetrieb mittels einer erdachten Reklamation vollständig zum Erliegen zu bringen.

Feiertagswahnsinn
Ein durchschnittlicher Hamsterkäufer demonstriert seine soziale Kompetenz.

In einem Wahn von fantasierter Wichtigkeit wird, anstatt sich in der Reihe anzustellen, von hinten an das arme Schwein herangetreten, welches an der Kasse sitzt. Spasmisch mit einem Prospekt wedelnd, wird ohne Rücksicht auf die Anstehenden, die Nichtbeachtung eines angeblichen Sonderangebots moniert. Natürlich stellt sich dann nach gefühlt endlos langer Zeit heraus, dass dieses erst ab nächster Woche gilt. Des Lesens unfähig, leidend unter fortgeschrittener geistiger Insuffizienz, trollt sich das fassungslose Aas schließlich wieder. Wegen vermeintlicher zehn Cent Ersparnis in der Haushaltskasse, hat man es für nötig befunden, der arbeitenden Bevölkerung erfolgreich minutenlang die Zeit zu stehlen. Andere Menschen auf zutiefst asoziale und egomanische Weise unter der eigenen Blödheit leiden zu lassen, scheint immer stärker in Mode zu kommen.

Der Mensch neigt zu einer beeindruckenden Lernresistenz

Der intelligente und vorausdenkende Mensch allerdings macht diesen Wahnsinn genau einmal mit, denn dann weiß er es besser. Er entwickelt Vermeidungsstrategien und plant seine Logistik entsprechend. Aber selbst wer das Glück hat, an solch einem Tag nicht einkaufen zu müssen, der bleibt noch lange nicht vom Feiertagswahnsinn verschont. Der Verkehrsinfarkt ist bereits in vollem Gange, denn alles was ein motorisiertes Fahrzeug besitzt, fährt an diesem Tag stupide drauf los. Leicht identifizierbar, am Wohnanhänger, der Dachbox oder dem Fahrradträger, verstopft die Flut aus einfältigen Lemmingen Autobahnen und Landstraßen. Leidtragend sind hier die Angehörigen der arbeitenden Bevölkerung, welche nicht ausschließlich zum Vergnügen auf der Straße herumgurken und ihrer sinnwidrigen Reiseplanung frönen.

Feiertagswahnsinn
Zwangsläufig mündet der Feiertagswahnsinn im totalen Verkehrsinfarkt.

Einige dieser Irren halten sich für besonders schlau und planen ihre Reise bereits am Vortag. Den unbedarften Nachwuchs lässt man dafür gerne mal einen Tag die Schule schwänzen. Die Tatsache, dass ungefähr 50 Millionen andere superschlaue Intelligenzbestien den gleichen Einfall hatten, führt dann völlig überraschend zum absoluten Verkehrschaos, welches in kilometerlangen, stehenden Blechlawinen gipfelt. Ohne den Hauch eines Gewissens verstopft der mobilisierte Feiertagsmob die Arterien des ohnehin überlasteten Verkehrsnetzes. Der ortskundige Berufstätige nutzt an solchen Tagen Ausweichstrecken in Form von Schleichwegen. Allerdings bleiben diese, dank den mittlerweile zahlreichen Navigationssystemen in den Händen der Landplage, auch nicht mehr vor dem durchdrehenden Volkshaufen verschont. Da begegnen einem auf Feldwegen im nirgendwo plötzlich Fahrzeuge mit Kennzeichen aus völlig anderen Teilen des Landes. Da wünscht man sich doch nichts mehr, als möge diese unerwünschten Eindringlinge ein mitternächtlicher Getriebeschaden bei Sturm und Hagel ereilen.

Fazit: Vor Feiertagen bleibt man am besten zuhause oder nimmt das Fahrrad.

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