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Die Paketboten

Nun ist es mir auch einmal passiert. Ich erwartete ein Paket und da ich zum Zeitpunkt der Zustellung nicht zuhause war, fand ich in meinem Briefkasten eine Benachrichtigung vor: Das Paket wurde beim Nachbarn abgegeben. Der besagte Nachbar weiß allerdings von nichts und war zur angegebenen Zeit ebenfalls überhaupt nicht anwesend. Also, was tun? Ich beschließe erst einmal, mich nicht zu ärgern, da der Wert des Inhalts ohnehin nicht besonders hoch gewesen wäre. Außerdem weiß ich eines ganz genau: Die ärmsten Schweine sind die Paketboten. Sie sind die Fußabtreter der Wirtschaft und arbeiten häufig unter unmenschlichen Bedingungen. Damit sie sich dagegen nicht wehren können, etwa in Form einer Krankschreibung oder eines Streiks, beschäftigt man sie kurzerhand als selbstständige Subunternehmer oder mit sittenwidrigen Verträgen als Angestellte beim Subunternehmer vom Subunternehmer.

Davor gibt es meist noch ein unbezahltes Praktikum zum Anlernen. In der tristen Welt der Zusteller bietet dies den Sklaventreibern gleich mehrere Vorteile: Man bürdet dem Knecht das unternehmerische Risiko auf, kann ihn unter Mindestlohn bezahlen und bei Problemen ohne großen Aufwand entsorgen. Im Zweifel reicht ein Hausverbot auf dem Betriebsgelände, was de facto einer Kündigung gleichkommt. Dagegen wehren kann sich der Geschädigte kaum. Diese Praktik ist nicht nur bei vielen Paketdiensten gängig, sondern auch als extrem moralisch verwerflich und menschenverachtend einzustufen. Es ist die höchste Form der Ausbeutung, welche man in Deutschland völlig legal und ungestraft betreiben kann. Ganz nach amerikanischem Vorbild. So quälen sich die Leibeigenen sechs Tage pro Woche bei Wind und Wetter durch das Verkehrschaos, während die Ausbeuter auf ihre Kosten wie die Maden im Speck leben.

Paketboten werden verheizt wie Briketts

Sie arbeiten gerade zur Weihnachtszeit unter enormen Zeitdruck und ernähren sich oft ausschließlich von Kaffee und Zigaretten. Meist sind es ausgedörrte und zerzauste Männlein, die nach kaltem Rauch stinken und noch nicht einmal zwei Wörter Deutsch sprechen. Wer die Sprache nicht spricht, der macht auch keine Rechte geltend, kann keine Verträge lesen und weiß vermutlich auch nicht, was ein Betriebsrat ist. Stress und eine rapide verschleißende Gesundheit sind die Folgen. Wenn die arme Seele mit spätestens 40 Jahren das Zeitliche segnet, kräht jedoch kein Hahn danach, denn das nächste Dutzend steht schon bereit. Hauptsache der fettgefressene Konsument hält sein neues iPad noch rechtzeitig in den Händen, das er einen Tag vor Heilig Abend bestellt hat. Es ist kurz vor Weihnachten und Zalando, Amazon Prime & Co. werben mit termingerechter Zustellung bis zum bitteren Ende.

Versandkostenfrei, versteht sich. Einer muss die Zeche für diesen turbokapitalistischen Irrsinn bezahlen und das sind in diesem Fall die Paketboten. Bei Nichteinhaltung der Zustellfristen bekommen die Paketdienste kein Geld oder müssen sogar Vertragsstrafen bezahlen. In diesem Fall läuft die Scheiße von oben nach unten und der Unterste ist nun mal der Zustellsklave. Darüber sollte zumindest jeder einmal nachdenken, bevor er das nächste Mal seine Premium-Bestellung bei den offenkundigen und einschlägig bekannten Sklaventreibern aufgibt und sich dann ärgert, weil sie nicht rechtzeitig ankommt. Der gut bezahlte und lässige Traumjob vom Paketboten ist eine trügerische Illusion, die die Paketdienste perfide in die Welt gesetzt haben, damit ihnen der Nachschub an Menschenmaterial zum Verheizen nicht ausgeht. Eine Karriere beim Paketdienst gibt es nicht, das höchste zu erreichende Ziel ist die Kündigung.

Nachtrag: Am Ende tauchte mein Paket dann doch noch auf. Es war bei einem anderen Nachbarn abgegeben worden.

Eine erschreckende Reportage zum Thema:

Die Paketboten als Fußabtreter

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