Umbau auf 1×12: Fragen und Antworten
Kann ich bei meinem alten Mountainbike mit Kettenschaltung einen Umbau auf 1×12 durchführen? So oder so ähnlich lautet eine häufig gestellte Frage. Da diese sich in den meisten Fällen mit einem eindeutigen JA beantworten lässt, wollen wir uns in diesem Artikel einmal mit dem WIE und den damit verbundenen Vor- und Nachteilen auseinandersetzen. Aber was bedeutet eigentlich 1×12 genau? Vorne hat man nur noch ein Kettenblatt an der Kurbel, wodurch unter anderem der Umwerfer entfällt. Hinten an der Kassette befinden sich 12 Gänge.
Umbau auf 1×12 Kettenschaltung: Warum eigentlich?
Die Gründe dafür sind meist einhellig, denn der 1×12-Standard gilt beim Mountainbike derzeit als „State-of-the-art“, also der Stand der Technik. Deshalb gehe ich einmal auf die Vorteile ein: Weniger Gewicht durch eine geringere Anzahl benötigter Komponenten, ein aufgeräumtes Cockpit und ein sportlicheres Schaltverhalten. Zudem ist eine Verwendung ovaler Kettenblätter wesentlich unproblematischer. Durch den wegfallenden Umwerfer hat man auch eine potenzielle Schwachstelle und Fehlerquelle weniger, da besonders das Schalten zwischen den Kettenblättern unter Last generell als problematisch anzusehen ist. Der berüchtigte und oft gefürchtete „Chainsuck“ kann einen mit einer Einfachschaltung zumindest nicht mehr ereilen.
Die Vorteile noch einmal im Überblick:
Gewichtsreduktion: Schalthebel, Umwerfer, Bowdenzughüllen, Schaltzug, Befestigungsmaterial und zwei Kettenblätter fallen weg. Da kommen schnell mehrere hundert Gramm, teilweise bewegte Masse zusammen, was im Fahrradbereich schon eine Hausnummer ist!
Aufgeräumtes Cockpit: Anstatt links und rechts je einen Schalthebel, entfällt der Linke vollständig. Man gewinnt Platz für andere Elemente, wie zum Beispiel den Remote-Hebel für eine versenkbare Sattelstütze. Manchmal ist weniger einfach mehr.
Sportliches Schaltverhalten: Man kann es glauben oder nicht, aber das Fahrgefühl wird „purer“. Man muss sich einfach weniger auf das Schalten konzentrieren, da man nicht mehr aufgrund des Kettenschräglaufs darauf achten muss, vorne mitzuschalten. Es gibt keine „verbotenen Gänge“ mehr. Man schaltet die Gänge einfach durch und kann jeden Gangwechsel unter Last ausführen. So einfach kann schalten sein.
Was sind die Nachteile einer Einfachschaltung?
Wie wir bereits bei anderen Thematiken festgestellt haben, geht selten ein Vorteil ohne entsprechenden Nachteil einher. Damit wäre beispielsweise die geringere Bandbreite zu nennen, wobei dieser Abstrich bei modernen 12-fach-Schaltungen immer weniger gewichtet. Aus meiner Sicht ist der größte Nachteil deshalb der Kostenfaktor. Die Verschleißteile am Antrieb, Ketten und Kassetten, sind im Vergleich relativ teuer in der Anschaffung. Besonders die Ketten verschleißen nach meiner Erfahrung schneller und sollten früher, bereits ab etwa einer Längung von 0,5 Millimetern, gewechselt werden. Das System ist zudem etwas empfindlicher und anfälliger gegen Schmutz. Umrüstkits gibt es bereits ab etwa 200 Euro.
Was benötige ich für den Umbau auf 1×12?
Folgende Komponenten werden benötigt:
12x-Schalthebel
12x-Schaltwerk (auch möglich mit 10- und 11-Fach-Schaltwerken)
12x-Kassette
12x-Kette
Einfachkettenblatt mit Narrow-Wide-Verzahnung (empfohlen)
Bowdenzughülsen und Schaltzug (können i.d.R. weiterverwendet werden)
Die Komponenten im Überblick:
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Schalthebel: Um die optimale Schaltperformance zu erreichen, sollte der gleiche Hersteller gewählt werden, wie beim Schaltwerk. Seit der Einführung von 1×12 gibt es kaum noch Schalthebel mit Ganganzeige, was ich persönlich etwas schade finde. Shimano hat in der 12-Fach-Deore-Gruppe nur noch einen Schalthebel mit Ganganzeige im Programm, SRAM keinen einzigen.
Schalthebel Shimano Deore 12-Fach mit Ganganzeige, SL-M6100
Schalthebel Shimano XT 12-Fach ohne Ganganzeige, SL-M8100
Schalthebel SRAM Eagle NX 12-fach
Schaltwerk: Je nach Bandbreite der gewählte Kassette ist darauf zu achten, die richtige Länge des Schaltwerkskäfigs (bei Shimano meist SGS) zu wählen. Das Schaltwerk sollte vom gleichen Hersteller sein, wie der Schalthebel. Alte 10-Fach-Schaltwerke können für 12-Fach-Umbauten generell verwendet werden. 9-Fach-Schaltwerke und abwärts sind aufgrund des abweichenden Hebelverhältnisses nicht kompatibel.
Schaltwerk Shimano Deore 12-Fach mit Shadow+, RD-M6100
Schaltwerk Shimano SLX 12-Fach mit Shadow+, RD-M7100
Schaltwerk Shimano XT 12-Fach mit Shadow+, RD-M8100
Schaltwerk SRAM Eagle NX 12-Fach
Kassette: Die Wahl der richtigen Kassette hängt bei Umbauten auf 1×12 hauptsächlich vom vorhandenen Freilauf ab. Bei älteren Bikes ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit der Shimano-HG-Freilauf. Im Low-Budget-Segment wurden allerdings auch Schraubkranznaben verwendet, bei denen der Freilauf in der Kassette integriert ist. Diese sind nicht geeignet. Um die Kosten und den Aufwand nicht zu sprengen, würde ich in dem Fall dazu raten, sich ein gebrauchtes Hinterrad mit Standard-Freilauf zu besorgen.
Kassette SRAM Eagle NX 12-Fach, PG-1230 für Standard-Freilauf
Kassette SunRace 12-Fach, CSMZ800 für Standard-Freilauf
Kassette Shimano SLX 12-Fach, CS-M7100 für Micro-Spline-Freilauf
Kassette SRAM 12-Fach, XG-1275 für XD-Freilauf
Kette: Wichtig ist, auf die Bezeichnung 12-Fach zu achten. Den gleichen Hersteller wie bei der Kassette zu wählen ist empfehlenswert, aber kein Muss. Die Kette sollte je nach verwendeter Kassette und Größe des Kettenblatts individuell abgelängt werden. Da sich die Glieder der dünnen 12-Fach-Ketten generell schlecht wieder verschließen lassen, sollte in jedem Fall ein Kettenschloss verwendet werden. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass dieses im Lieferumfang enthalten ist.
Anleitung zum Berechnen der Kettenlänge
Kette Shimano SLX 12-Fach, CN-7100 inkl. Quick Link
Kette SRAM Force 12-Fach, inkl. PowerLink
Kette KMC 12-Fach, X12 inkl. MissingLink
Kettenblatt: Natürlich kann man eines der alten Kettenblätter für den Umbau verwenden. Dies empfiehlt sich allerdings nur in Kombination mit einem Kettenspanner. Die eleganteste Lösung bietet ein Kettenblatt mit der sogenannten Narrow-Wide-Verzahnung. Diese gibt es in Rund oder Oval und es wird kein Kettenspanner benötigt. Das spezielle Design der Zähne verhindert ein Abspringen der Kette sehr zuverlässig. Im härteren Gelände ist es jedoch kein Schaden, zusätzlich ein Schaltwerk mit Shadow+ oder einer vergleichbaren Technologie zu verwenden. Wer seine alte 3-Fach-Kurbel mit nur einem Kettenblatt weiterverwenden möchte, kann dies tun. Das Einfach-Kettenblatt wird dann an die Position des mittleren Kettenblatts montiert. Hier ist auf den Lochkreis zu achten. Bei älteren Mountainbikes häufig 4-Loch mit einem symmetrischen Lochkreis von 104 Millimetern.
Kettenblatt rund, Race Face, 104 BCD mit Narrow-Wide-Verzahnung
Kettenblatt rund, SRAM, 104 BCD mit Narrow-Wide-Verzahnung
Kettenblatt oval, Wolf Tooth, 104 BCD mit Narrow-Wide-Verzahnung
Umrüstkit: Hier kauft man die für den Umbau auf 1×12 benötigten Komponenten vom gleichen Hersteller als Set. Somit ist sichergestellt, dass die erworbenen Komponenten auch zusammenpassen.
SRAM Eagle NX 12-Fach Upgrade-Kit, geeignet für den Standard-Freilauf
Seit 12-Fach gibt es neue Freilaufsysteme. Benötige ich jetzt eine andere Hinterradnabe?
Mit der Einführung der 12-Fach-Antriebe wurden durch die führenden Hersteller Shimano und SRAM auch neue Freilauf-Standards eingeführt. Bei SRAM heißt der neue Standard „XDR“, bei Shimano nennt man die Schöpfung „Micro Spline“. Für welchen der beiden Hersteller man sich nun entscheidet mag für manche eine Glaubensfrage sein; in erster Linie ist es jedoch Geschmackssache. Ich persönlich setze auf Shimano, da mir das weichere und gefühlt präzisere Schaltverhalten besser zusagt und ich seit Jahren ohne große Probleme damit unterwegs bin. Bei SRAM hingegen fühlen sich die Gangwechsel erfahrungsgemäß härter an, wobei diese mit Sicherheit nicht weniger genau sind.
Aber wozu sind denn nun die neuen Freilauf-Standards nötig? Sind sie technisch notwendig? Ja und Nein. Der Hintergrund ist schnell erklärt. Die aktuellen 12-Fach-Kassetten verfügen über ein 10er Ritzel, was die Bandbreite zusätzlich erhöht. Auch das ist neu, denn über Jahrzehnte hinweg war das 11er Ritzel das Kleinste seiner Art. Um dieses 10er Ritzel montieren zu können, wird ein kleinerer Freilaufkörper benötigt. Es gibt aber auch 12-Fach-Kassetten, die über kein 10er Ritzel verfügen. Diese können daher problemlos auf dem alten Freilauf-Standard (HG) montiert werden. SRAM hat dafür die PG-1230 aus der NX Eagle Gruppe im Programm, zudem gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Drittanbietern, die solche Kassetten herstellen.
Zum Thema Montagestandards empfehle ich diesen weiterführenden Artikel über Funktion, Kompatibilitäten und Umbau von Freilauf und Freilaufkörpern.
Auch ein 10er Ritzel hat seine Nachteile. Die sind mitunter gravierend.
Wer also sein altes Mountainbike auf 1×12 umrüsten möchte, muss nicht zwingend eine neue Hinterradnabe einspeichen oder das Laufrad wechseln. Die Bandbreite ist bei den nachrüstfreundlichen 12-Fach-Kassetten mit 11er Ritzel natürlich etwas geringer. Sie sinkt beispielsweise von 510% auf 473%. Dafür bietet auch sie wiederum Vorteile: Ein 10er Ritzel verschleißt sehr schnell, zudem ist die Kraftübertragung durch den sogenannten Polygoneffekt vergleichsweise ineffizient. Je kleiner ein Zahnrad ist, das von der Kette umlaufen werden muss, desto stärker prägt sich der Effekt aus. Die Kraft, die auf den nur 10 Zähnchen lastet, ist enorm. Wenn dann noch zusätzlich ein E-Antrieb an der Kette zerrt, kann man sich ausrechnen, wie schnell das Ganze verschleißen wird. Diese Effekte betreffen zwar auch die 11er Ritzel – jedoch bei weitem nicht so stark.
Ich selbst fahre zwei Räder (ohne E-Antrieb) mit jeweils einem 10er Ritzel auf der 12-Fach-Kassette und kann inzwischen bestätigen, dass diese nach ca. 2500 Kilometern gewechselt werden müssen. Und das bei mäßiger Benutzung, da ich auf beiden MTBs 36er Kettenblätter fahre. Das wissen auch die Hersteller, deshalb kann man bei den modernen Kassetten die Ritzel mittlerweile einzeln kaufen. In Bezug auf die Laufleistung ist das jedoch nur mein persönliches Resümee und vielleicht hat ja jemand andere Erfahrungen damit gemacht. Bei Shimano hat sich inzwischen auch die Artikelnummer für das 10er Ritzel (gibts einzeln nur im Set mit dem 12er) geändert, was ein Hinweis auf Nachbesserung in Bezug auf die Haltbarkeit des Materials sein könnte.
Artikelnummer alt: Y1X498020
Artikelnummer neu: Y1X498030
Mehr Möglichkeiten beim Umbau auf 1×12 durch „Bastardschaltungen“
Den alten Freilauf weiterhin nutzen zu können, reduziert die Kosten und den Aufwand beim Umbau erheblich und macht diesen auch für die Eigner älterer Mountainbikes erschwinglich. Einzig Shimano hat keine 12-Fach-Kassette für den alten Freilauf im Programm. Hier kann man sich jedoch einfach am SRAM-Baukasten bedienen. Die bereits oben genannte PG-1230 lässt sich problemlos in Kombination mit Shimano-Schaltkomponenten betreiben. Ich selbst fahre so eine „Bastardschaltung“ an einem meiner Fahrräder, also eine Schaltung, die aus den Komponenten mehrerer Hersteller besteht. Wem die Eagle-Kassette zu schwer ist, der wird beim ukrainisch-polnischen Hersteller Garbaruk fündig. Hier gibt es eine hochwertige Kassette im Sortiment, die aus einem Stück gefräst ist. Dabei ist sie sogar etwas leichter als eine vergleichbare XTR-Kassette; bei ungefähr halbem Preis. Ein Sahnestück an Technik, das auf jeden Fall eine Überlegung wert ist.
Mein altes Mountainbike hat eine 135mm Hinterrad-Nabe mit klassischem Schnellspanner. Kann ich diese auf Micro Spline umbauen?
Die alten Schnellspanner-Naben mit Standard-Freilauf lassen sich nicht umrüsten. Die Nabe kann allerdings komplett getauscht werden. Die Hersteller haben hier inzwischen nachgezogen und bieten auch 135mm Schnellspanner-Naben mit Micro-Spline-Freilauf an. Bei modernen, höherwertigen 135mm-Naben lässt sich der Freilauf dagegen umrüsten. Hier wären als beliebte Beispiele die Hope Pro 4 oder die DT Swiss 240/350 zu nennen.
Reichen 12 Gänge nun eigentlich aus?
Definitiv ja. Theoretisch reicht auch weniger. Eine Zeit lang war ich sogar mit einem 1×9-Antrieb in den Bergen unterwegs. Es ist also möglich, entsprechendes Training vorausgesetzt. Spürbar komfortabler ist es natürlich mit 1×11 oder 1×12 im alpinen Gelände. Ohnehin ist das mit den Gängen bei den Einfachantrieben eine ziemlich transparente Sache. Bei den alten 3×9-Schaltungen mit ihren legendären 27-Gängen (oder später sogar 30 Gänge mit 3×10), war das nämlich noch anders. Diese 27-Gänge waren vor allem eines: ein Verkaufsargument. Durch die Redundanz verschiedener Schaltkombinationen waren es tatsächlich nur 14 „echte“ Gänge, da einige Gänge schlicht doppelt vorhanden waren. Einzig beim Rennrad bleibt die Option mit dem Umwerfer weiterhin eine interessante Sache. Hier sind die aktuellen 2×11 oder 2×12-Antriebe nach wie vor das Maß der Dinge, da in diesem Segment die besonders feine Abstufung zwischen den Gängen im Vordergrund steht.
Fazit zum Umbau auf 1×12 Kettenschaltung
Wer ein neues Mountainbike aufbaut, wird sich ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Einfachantrieb entscheiden. Für den Enthusiasten, der sein 26-Zoll-Mountainbike auch die nächsten Jahre durch die Berge jagen möchte, wird sich der Umbau auf 1×12 oder auch 1×11 als Spaßfaktor ebenfalls lohnen. Dieser ist bereits ab etwa 250 Euro zu haben. Für die Pendlerin im Flachland oder den Gelegenheitsfahrer, der hauptsächlich in der City unterwegs ist, reichen auch weniger Gänge. Oder der alte Dreifach-Antrieb wird einfach weitergefahren und ohnehin meist auf dem mittleren Kettenblatt bewegt. Die Performance ist hier zweitrangig, die Wartung der alten Antriebe dafür weiterhin unschlagbar günstig.