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26 Zoll: Ist der Standard wirklich tot?

Ist der legendäre Laufrad-Standard 26 Zoll wirklich tot? Eine Frage, die sich auf den ersten Blick nicht eindeutig beantworten lässt. Wenn man sich die aktuellen Bikes und die gängigen Angebote der Fahrradhersteller und Shops ansieht, dann könnte man jedenfalls versucht sein, das zu glauben. Dort wird nämlich seit einigen Jahren vor allem auf die aktuellen Laufradgrößen-Standards 27,5 Zoll (584) und 29 Zoll (622) gesetzt. Dieser Trend zieht sich durch nahezu alle Kategorien von Fahrrädern. Aber warum ist das eigentlich so? Was sind die Vor- und Nachteile eines größeren Laufrads? Und muss ich mein altes 26-Zoll-Montainbike deshalb jetzt in die Tonne werfen? Darauf werden wir im Laufe dieses Artikels zu sprechen kommen.

Beschäftigen wir uns aber zuerst mit der Ausgangsfrage. Dazu müssen wir uns einmal anschauen, was 26 Zoll eigentlich bedeutet. Nun, die Angabe bezieht sich auf die Laufradgröße. Der äußere Felgendurchmesser beträgt bei 26 Zoll in der gängigen Variante 559 Millimeter. Das war über Jahrzehnte der weltweit am weitesten verbreitete Mountainbike-Standard und die meisten Neu-Fahrräder auf dem Markt waren bis weit in die 2000er mit 26-Zoll-Laufrädern ausgestattet. Vornehmlich im Bereich Trekking gab es dann noch den Standard 28 Zoll. Im Grunde ist der 29-Zoll-Standard der alte 28-Zoll-Standard mit breiteren Reifen. Stark vereinfacht gesagt, zumindest. Der äußere Felgendurchmesser von 622 Millimetern ist nämlich bei beiden gleich.

Das bedeutet, man kann auf eine alte 28-Zoll-Felge also problemlos einen neuen 29-Zoll-Reifen montieren. Was aber nicht unbedingt bedeutet, dass das 29-Zoll-Laufrad dann auch in einen 28er Rahmen passt. Das ist in der Regel nämlich nicht der Fall, weil die alten 28-Zoll-Trekkingrahmen Rahmen schmaler gebaut sind, im Vergleich zu einem modernen 29-Zoll-Montainbike-Rahmen.

26 Zoll
Unterschiedliche Laufradgrößen im Vergleich.

Das Hauptproblem bei 26 Zoll ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen

Neue 26er Fahrräder wird man ohnehin kaum noch finden. Es sei denn, man baut sich selbst eines auf, denn neue Rahmen bekommt man dafür nach wie vor. Jemand, der darüber nachdenkt, sich ein Fahrrad neu aufzubauen, dem würde ich allerdings tatsächlich empfehlen, sich für 27,5 oder 29 Zoll zu entscheiden. Das Problem ist die Auswahl an Teilen, hauptsächlich in Bezug auf Felgen, Reifen, komplette Laufräder und Gabeln. Diese werden zwar noch immer in der 26er Größe produziert und verkauft, doch die Auswahl hat sich in den letzten Jahren deutlich reduziert. Wobei die derzeitige Lage auf dem Teilemarkt ohnehin stark an die Zustände in der ehemaligen DDR erinnert. Das Thema 26 Zoll ist daher hauptsächlich für Menschen interessant, die bereits eines oder mehrere 26-Zoll-Fahrräder in ihrem Bestand haben oder sich etwas günstiges Gebrauchtes zulegen wollen.

Damit sind wir am entscheidenden Punkt angelangt. Auch wenn ich hier nicht mit validen Zahlen aufwarten kann, würde ich behaupten, dass die meisten Fahrräder, die auf den Straßen dieser Welt unterwegs sind, immer noch 26er sind. Den Standard kann und sollte man deshalb aus meiner Sicht nicht als tot betrachten; im Gegenteil. Einen weiteren Indikator bildet die große Fangemeinde von 26-Zoll-Liebhabern in den sozialen Netzwerken. Das Motto „26 ain’t dead“ scheint geradezu eine Renaissance zu erleben. Die Beliebtheit ist ungebrochen, vielleicht auch aus Trotz. Nun, aber weshalb widme ich mich überhaupt dieses Themas? Jemand, der in den Laden geht und sich für etliche tausend Euro ein modernes Bike kauft, wird wohl kaum bis hierhin gelesen haben. Warum sollte er auch? Der Beitrag richtet sich an diejenigen, die vielleicht Altes wieder instand setzen, Altes aufwerten oder aus Altem etwas Neues aufbauen wollen.

Gerade in Zeiten von mangelnder Verfügbarkeit, abgerissenen Lieferketten und teils überteuerten Preisen für Neuräder aufgrund der ungebrochenen Nachfrage, sicherlich nicht die schlechteste Option. Immerhin kann man das obendrein als Nachhaltig bezeichnen und man lernt noch was dabei.

26 Zoll

Die alten 26er rennen immer noch verdammt gut

Wer etwas Zeit, Liebe und vielleicht ein paar Neuteile in sein 26-Zoll-Fahrrad steckt, erhält unter Umständen einen echt sportlichen Flitzer. Die alten Dinger können immer noch verdammt viel Spaß machen und man kann damit durchaus ziemlich schnell unterwegs sein. Gerade die alten Mountainbikes der 80er und 90er Jahre haben oft noch so viel Straße in sich, dass sie einer neuen Maschine, zumindest auf diesem Terrain, in nichts nachstehen. Der gewitzte Leser wird sich nun vielleicht die Frage stellen, warum die Industrie sich dann überhaupt auf neue Laufradstandards geeinigt hat. Das Zauberwort lautet in erster Linie Abrollkomfort. Es ist unbestritten und der Physik geschuldet, dass ein größeres Laufrad durch den flacheren Abrollwinkel einfach besser über Hindernisse hinwegrollt. Deshalb hat, besonders im Bereich Mountainbike, der 29-Zoll-Standard (Twentyniner) mit dem inzwischen größten Absatzmarkt die Nase vorn. Darüber hinaus bieten die großen Laufräder auch die Möglichkeit neuer interessanter Geometrien.

26 Zoll
Wäre allein die Größe der entscheidende Faktor, dann würden wir wohl alle noch auf Hochrädern herumfahren.

Kein Vorteil ohne Nachteil

Das Tretlager lässt sich im Verhältnis zu den Radachsen tiefer setzen (man spricht hier vom Bottom-Bracket-Drop) und oftmals verleihen einem diese Fahrräder deshalb das Gefühl, nicht auf dem Rad, sondern zwischen den Rädern, sozusagen im Fahrrad zu sitzen. Das wiederum führt in Kombination mit der richtigen Geometrie zu einer komfortableren Haltung und einem stabileren Fahrgefühl, das mehr Sicherheit vermittelt. Bei Kettenschaltungen ist das Schaltwerk etwas weniger für Einschläge anfällig, da es weiter vom Boden weg kommt. Ein weiterer Vorteil der neuen Laufradgrößen: Sie lassen die Montage wesentlich breiterer Reifen zu, wenn man beim 26-Zoll-Standard die Fatbikes außer Acht lässt. So zumindest grob umrissen. Allerdings kein Vorteil ohne Nachteil. Es liegt in der Natur der Sache, dass große Laufräder ein höheres Gewicht und ein etwas trägeres Kurvenverhalten mit sich bringen.

Kleine Laufräder hingegen sind leichter, wendiger in der Kurve und bieten eine höhere Steifigkeit. Zudem beschleunigen sie besser, da weniger Masse in Bewegung gesetzt werden muss. Kompromisslose Racer setzen beim Mountainbike deshalb mittlerweile auf 27,5 Zoll, da diese Größe als guter Kompromiss zwischen beiden Welten gehandelt wird. Weit weniger deutlich fallen hier die Unterschiede zu 26 Zoll aus. Denn von 559mm auf 584mm sind es gerade mal 25mm Unterschied im Durchmesser. Somit ist der 27,5-Zoll-Standard viel näher an 26 Zoll, als an 28/29 Zoll, auch wenn die Bezeichnung auf den ersten Blick etwas anderes vermuten lässt.

26 Zoll
Eine Ausnahme bei den 26ern: Das Fatbike.

Ein kleiner Exkurs zu den Bezeichnungen

Überhaupt ist das mit den Bezeichnungen oftmals eine verwirrende Sache, gerade für Neueinsteiger, die sich frisch mit dem Thema auseinandersetzen. Die Zollbezeichnung entstammt dem imperialen System; ein Zoll entspricht etwa 2,54 Zentimetern. Das lässt sich mit einem Taschenrechner meist noch recht einfach umrechnen. Üblicherweise sieht die Bezeichnung einer Reifengröße dann so aus: 26×2,0. Hier steht 26 für die Zollangabe des Laufrads, die 2,0 für die Reifenbreite. Multipliziert man die 2,0 beispielsweise mit 2,54, dann kommt man auf etwa 50 Millimeter Reifenbreite. Nun ja, das funktioniert bei der Breite einwandfrei, doch wenn man nun 26 Zoll mal 2,54 rechnet, dann kommt man definitiv nicht auf 559 mm. Das entspräche nämlich nur 22 Zoll. Warum ist das so? Hier wird es nun vertrackt. Die Bezeichnung 26 Zoll bezieht sich zum einen auf den Außendurchmesser und steht zudem, historisch bedingt, nicht nur für eine einzige Reifengröße.

Es handelt sich hier um eine Gruppe von mindestens fünf verschiedenen Maßen, die nicht miteinander kompatibel sind. Die Variante mit 559 mm ist lediglich die, die sich in unseren Breitengraden als „26 Zoll“ durchgesetzt hat und somit die mit Abstand am weitesten verbreitete. Wer sich den von Wikipedalia verlinkten Artikel anschaut wird feststellen, dass es dort auch die Größe 584 mm schon gab; heute bekannt als 27,5 Zoll oder auch 650B genannt. Wenn ich von 26 Zoll spreche, dann meine ich allerdings immer das ISO Maß 559 mm. Es gibt auch noch die metrische ETRTO (European Tyre and Rim Technical Organisation) Bezeichnung, welche wesentlich eindeutiger ist. Für unseren Beispielreifen 26×2,0 würde diese dann so aussehen: 50-559. Bei Herstellern und Webshops findet man meist beide Bezeichnungen, da die Umrechnung zwischen Zoll und Zentimetern nie besonders genau ist. Die Interpretation kann daher von Hersteller zu Hersteller abweichen.

26 Zoll

Die Laufradgröße alleine ist nicht aussagekräftig

Mit der Reifenbreite steigt automatisch der Umfang. Das bedeutet, dass die alleinige Zollangabe der Laufradgröße nicht wirklich etwas über den tatsächlichen Abrollumfang aussagt, denn dazu benötigt man immer die Variable Reifen. Wenn es genau gehen soll, dann müssen auch noch die Werte Reifendruck und Systemgewicht mit einbezogen werden. Deshalb sind beispielsweise die Angaben in Radumfangtabellen immer nur als grobe Richtwerte zu sehen, die in der Realität mit hoher Wahrscheinlichkeit abweichen werden. Da beim Reifen Umfang und Breite immer in Relation zueinander stehen, kann beispielsweise ein 26-Zoll-Fatbike-Reifen tatsächlich einen Größeren Umfang besitzen, als ein 29-Zoll-Mountainbike-Reifen. Das 26-Zoll-Fatbike ist allerdings auch ein eigener Standard, der nicht zum klassischen 26er kompatibel ist.

26 Zoll
Aus Rabotniks Garage: Als Basis für diesen umgebauten Crosser mit 27,5-Zoll-Laufrädern diente ein stählerner 26-Zoll-Mountainbike Rahmen aus den frühen 90ern.

Neue Möglichkeiten beim „Upcycling“

Was nützt uns das Gelernte nun in der Praxis für unser altes 26-Zoll-Mountainbike aus dem Keller? Beim sogenannten Upcycling ergeben sich mit den aktuellen Laufradgrößen und Reifenvariationen ganz neue Möglichkeiten. Das bedeutet, ich kann mein altes 26er Bike durchaus mit einem modernen 27,5-Zoll-Laufradsatz ausstatten, wenn ich dabei einen schmaleren Reifen verwende. Ein 26×2,20 Reifen hat beispielsweise einen größeren Umfang, als ein 27,5×1,50 Reifen. Einen hübschen Crosser oder ein Gravelbike mit Retrocharme kann man sich damit allemal aufbauen. Wähle ich einen noch schmaleren Reifen, dann passt unter Umständen sogar ein 28-Zoll-Laufrad in einen 26er Rahmen.

In diesem Fall kann so eine Tabelle mit Richtwerten bezüglich des Radumfangs durchaus hilfreich sein. Natürlich gilt es, die herstellerspezifischen Toleranzen des jeweiligen Rahmens zu beachten. Deshalb sollte man vorher messen, sonst ist die Enttäuschung groß, wenn der frisch ausgepackte Laufradsatz nicht passt. Besondere Vorsicht ist bei solchen Umbauten bei der Verwendung von Federgabeln geboten. Federn diese zu stark ein, läuft man Gefahr, dass der Reifen am Unterrohr schleift. Bei aller Leidenschaft sollte natürlich immer die Sicherheit an erster Stelle stehen. Oder man bleibt einfach bei 26 Zoll und holt sich einen Satz neue Reifen, denn die Ersatzteilversorgung scheint auch für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Abschließend kann ich deshalb sagen: 26 Zoll ist auf keinen Fall tot; im Gegenteil!

Der Standard 26 Zoll

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